Über 150 Funktionärinnen und Funktionäre der NRWSPD kamen am 06. Mai in Münster zusammen, um über die inhaltliche Ausrichtung der Partei zu beraten. Eingeladen waren der Landesvorstand, die Abgeordneten der Landtags- und Bundestagsfraktion, die Unterbezirksvorsitzenden und die Mitglieder der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik.
Der Interimsvorsitzende Marc Herter eröffnete die Veranstaltung und erklärte, man müsse die Gelegenheit des Tages nutzen um „selbstbewusst darüber diskutieren, was für die Menschen wichtig ist“. Wichtig sei vor allem die verbesserte Zusammenarbeit der Kraftzentren. Er freue sich in diesem Sinne darüber, dass so viele Vertreter*innen derselbigen gekommen seien. „Führung heißt auch, darauf zu achten, dass wir achtsam miteinander umgehen“, erklärte Herter in diesem Kontext. Nur so könne die SPD eine starke Stimme in NRW und im Bund sein.
Wie kann die Sozialdemokratie gesellschaftliche Mehrheiten organisieren?
Einen ersten Impuls zu dieser Frage gab der Publizist und Soziologe Robert Misik aus Wien, der schon lange die österreichische SPÖ beobachtet und auch für die NRWSPD Thesen zur Neuaufstellung entwickelt hat. Im Rahmen seiner Keynote erläuterte er, dass alle Mitte-Links-Parteien und so auch alle sozialdemokratischen Parteien aktuell eine Erosion ihrer Wählerschaft erlebten. Die Gründe lägen in der Politikverdrossenheit, dem Verlust der ehemaligen proletarischen und der post-proletarischen Basis und dem Gefühl vieler Menschen, nicht mehr vertreten zu werden. Einen möglichen Ausweg aus dieser Krise sieht er in einer neuen Konzentration der politischen Ausrichtung. Er plädierte für eine linke wirtschafts- und sozialpolitische Haltung (soziale Sicherungssysteme, Härten abfedern, Wohnen, Gesundheit, Gewerkschaftsnähe) und eine progressive gesellschaftspolitische Ausrichtung (traditionelle Werte der Sozialdemokratie und Hebel, um auch modernistische, linksliberale Milieus zu erreichen). Denn die Sozialdemokratie war immer dann erfolgreich, wenn sie beides gemacht hat: Politik für normale Leute und Politik für progressive Milieus.
Transformation sozial und ökologisch gestalten
Weitere Impulse kamen aus einer Paneldiskussion unter Beteiligung von Anja Weber (DGB NRW), Gregor Berghausen (IHK Düsseldorf), Rüdiger Schuch (Evangelische Kirchen NRW) und Dr. Christine Wilcken (Deutscher Städtetag). Gemeinsam diskutierten sie die Frage „Wo und wie kann die Sozialdemokratie in NRW wieder gesellschaftliche Mehrheiten bilden?“ Als ersten wichtigen Ansatzpunkt beschrieb Anja Weber, dass die Menschen erwarteten, dass Politik konkrete Lösungen anböte anstatt Probleme zu beschreiben. Zu solchen konkreten Lösungen könnten beispielsweise das Tariftreuegesetz, die Ausbildungsplatzgarantie, Ausbildungsfonds oder die Stärkung der beruflichen Ausbildung gehören. Gerade den letzten Punkt nahm auch Gregor Berghausen von der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf in den Blick: „Es fehlt ein Statement zur erfolgreichen beruflichen Aus- und Weiterbildung.“ Eine weitere Leerstelle sah er in der Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt, die von keiner Partei hinreichend betrachtet würde.
Rüdiger Schuch von den Evangelischen Kirchen in NRW beschrieb die Krise der NRWSPD als Teil einer umfassenden Krise, die alle Institutionen betrifft. Seiner Meinung nach brauche es heute Parteien, die sich nicht nur darauf konzentrieren, machtpolitische Interessen durchzusetzen. Sondern solche, die den Menschen zuhören und sie abholen. Dabei gelte vor allem eines: „Die Schwächsten in den Blick nehmen. Und man kann sie nur in den Blick nehmen, indem man sie mitnimmt und sie beteiligt.“
Dr. Christine Wilcken warf als Beigeordnete des Deutschen Städtetages und Leiterin des Dezernats Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz einen thematischen Blick auf die Klimapolitik. Dazu erklärte sie: „Der Alltag muss funktionieren – von der Kita bis zur Energieversorgung. Aber Alltag muss sich verändern, wenn wir das 1,5 Grad Ziel schaffen wollen.“ Diese Veränderung sei jedoch nur möglich, wenn alle mitgenommen würden und die Maßnahmen sozial gerecht umgesetzt würden.
Zuversicht, Selbstbewusstsein, Respekt und Zusammenhalt
Mit diesen inhaltlichen Impulsen gingen die Mitglieder der Kraftzentren in eine Arbeitsphase. Diskutiert wurden hier unter anderem die Fragen: „Was soll die ,neue SPD im Westen‘ ausmachen?“ und „Was ist das Wichtigste, was jeder Person sofort hierzu einfallen muss?“.
Die Ergebnisse der Diskussionen wurden dann von den Sprecher*innen im Plenum vorgestellt. Den Anfang machte Achim Post von der SPD-Landesgruppe im Bundestag. Er statuierte, die zentralen Zuschreibungen der NRWSPD müssten „Zuversicht“ und „Selbstbewusstsein“ lauten. Die Landesgruppe sehe den Schwerpunkt auf dem Thema soziale Gerechtigkeit. Sarah Philipp hob als Parlamentarische Geschäftsführerin der Landtagsfraktion hervor, welchen Mehrwert Austauschtreffen wie die Convention für die gemeinsame Zusammenarbeit und die interne inhaltliche Debatte hätten und sprach sich für eine entsprechende Wiederholung aus. Frank Meyer, Vorsitzender der SGK, erklärte, die Partei solle die Kommunalen stärker einbinden. Schließlich seien diese nah bei den Menschen und wüssten um die Herausforderungen vor Ort. Den Abschluss machte der Interimsvorsitzende Marc Herter. Auch er lobte den guten Austausch des Tages und erklärte, dass er die Aufgabe der Landespartei vor allem darin sehe, solche Plattformen für Debatten zu schaffen. Doch auch die konstruktive Attacke gegen die Landesregierung müsse wieder stärker Teil der gemeinsamen Arbeit sein.
Insgesamt blickten die Teilnehmenden der Convention auf eine Veranstaltung mit vielstimmigen Diskussionen zurück, die eine gute Grundlage für die inhaltliche Neuausrichtung der NRWSPD bilden können. So sollen die Ergebnisse der Gespräche auch Einzug in das angekündigte Mission Statement des Landesvorstandes halten.