Die Ergebnisse der PISA-Studie haben Bildungspolitiker und eine breite Öffentlichkeit in Deutschland aufgeschreckt. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind wir mit dafür verantwortlich, dass es nicht bei einer kurzfristigen Aufgeregtheit bleibt, sondern dass der Schock in zielgerichtetes , konstruktives Handeln umgesetzt wird.
Die PISA – Studie bescheinigt den 15jährigen Schülerinnen und Schülern in Deutschland schlechtere durchschnittliche Leistungen als den Jugendlichen in anderen Industrieländern. Besonders erschreckend an den Ergebnissen ist, dass die Schulleistungen in Deutschland mehr als in jedem anderen untersuchten Land von der sozialen Lage der Jugendlichen abhängig sind. Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben in Deutschland geringere Bildungschancen als in allen anderen Ländern. Gleichzeitig erreicht auch die Spitzengruppe der Jugendlichen bei uns allenfalls durchschnittliche Leistungen in der Beherrschung der Sprache, in Mathematik und Naturwissenschaften.
Der Deutsche Sonderweg, Kinder schon früh nach Leistung oder Begabung zu sortieren, erfüllt damit nicht die Erwartungen, die damit verbunden werden: Frühe Selektion führt weder zu besonderer Förderung von Spitzenleistungen noch dazu, dass weniger lernstarke Kinder ihren Fähigkeiten entsprechend gefördert werden und zumindest solide Basisqualifikationen erreichen. Der Begleiteffekt früher Auslese, die Minderung der Chancen von Kindern aus sozial benachteiligten Familien, ist nach den Ergebnissen von PISA so massiv, wie niemand es erwartet hätte.
Wenn Deutschland wieder den Anschluss an internationale Bildungsstandards erreichen will, bedarf es umfangreicher Reformen.
Die nach PISA notwendigen Veränderungen sind nicht kurzfristig umzusetzen, Erfolge brauchen langen Atem. Um so wichtiger ist es, jetzt die Weichen richtig zu stellen.
Die AfB-Landeskonferenz begrüßt die Initiative der Landtagsfraktion und der Landesregierung,
Wir begrüßen ebenfalls das bereits vor PISA angestoßene Projekt „Selbständige Schule“, das es erlauben soll, vor Ort zielgenauer auf unterschiedliche Lagen und Bedürfnisse der Schulgemeinde einzugehen. Wir fordern die Schulen auf, sich mutiger an diesem Projekt zu beteiligen.
So richtig die genannten Schritte sind, selbst bei optimaler Umsetzung werden sie nicht ausreichen, den internationalen Anschluss wieder zu gewinnen. Wir brauchen daher als Vorbereitung weiterer Reformschritte eine intensive Auseinandersetzung mit den Wegen, die andere Länder erfolgreich gehen und eine Debatte ohne Tabus mit allen gesellschaftlichen Gruppen darüber, wie anderswo erfolgreiche Wege auch in Deutschland beschritten werden können. Dazu gehört fast alles auf den Prüfstand !
Wir müssen Antworten auf folgende Fragen finden:
Unabhängig von solchen längerfristigen Überlegungen gibt PISA aber auch Anlass zu prüfen, ob aktuelle schulpolitische Entscheidungen in die richtige Richtung gehen. Dazu hat die AfB bereits auf der Landeskonferenz 2001 Positionen formuliert. Einige gewinnen angesichts der PISA Ergebnisse besonderes Gewicht:
1. Die AfB bekräftigt die Notwendigkeit einer Reform der Lehrerausbildung. Dabei müssen frühere und größere Praxisnähe, eine verbesserte Kompetenz, individualisierend zu unterrichten und aufgrund fachlich fundierter Diagnosekompetenz Kinder und Jugendliche besser zu fördern, im Mittelpunkt stehen.
Die zur Zeit in der Beratung befindliche Neuordnung der Lehrämter (höheres Lehramt für die Gymnasien und niederes Lehramt für die übrigen Schulformen und -stufen) ist dafür kontraproduktiv und wird von der AfB abgelehnt. PISA legt völlig andere Konzepte nahe!
2. Die in den letzen Jahren verstärkte Selektion im NRW Schulwesen (mehr Schulversager, Sitzenbleiber, Absteiger, Abgänger ohne Abschluss) bedarf dringend der Korrektur. Durch erhöhte Selektion wird die Qualität nicht gesteigert, das zeigt PISA eindeutig.
3. Die gleichmäßige und gerechte Versorgung aller Schulformen und Regionen mit Lehrkräften ist nicht sichergestellt. Schon jetzt sind Gymnasien über-, Haupt- und Realschulen unterversorgt. Da alle Anreize, in die Schulformen mit den größeren pädagogischen Herausforderungen, insbesondere in die Hauptschule, zu gehen, fehlen, und da nach wie vor die günstigsten Bedingungen für Lehrerinnen und Lehrer am Gymnasium gelten, das bereits jetzt am besten versorgt ist, wird sich dieses Ungleichgewicht weiter verschärften. Hier muss dringend gegengesteuert werden.
Bei knappen Haushaltsmitteln müssen alle Ausgaben auf den Prüfstand. Eine Erhöhung der Lehrerarbeitszeit wäre allerdings völlig unvertretbar. Die AfB unterstützt den Widerstand, der sich in dieser Frage gegen die Pläne des Finanzministers formiert.